Die ersten identitären Gehversuche im deutschen Sprachraum fanden nicht mit offenem Visier statt.
Die Störung einer linken Veranstaltung in Frankfurt und eines „Toleranz-Tanzfestivals“ in Wien hatten die Form von „hard bass mass attacks“. Der damals populäre, aus heutiger Sicht etwas peinliche Trend aus Osteuropa (öffentliche Tanz-Flashmobs zu Techno) war die erste identitäre Aktionsform. Üblich war es dabei, sich zu maskieren. Bald war klar, daß es so nicht weitergehen konnte.
Rasch wurden die Masken fallengelassen – ein unverzichtbarer Schritt zur Überwindung der emotionalen Barriere. Die IB nahm als neurechtes Transparenzprojekt ihren Lauf. Wie Götz Kubitschek feststellte, führte dieses ehrliche Angebot nicht zu einer Veränderung des Diskurses oder zu einem Umdenken im gegnerischen Lager. Die angebotene Hand wurde ausgeschlagen. Die IB als perfekter „rechter Klon“ linker NGOs und Protestbewegungen wurde trotz ihres gewaltfreien, transparenten und demokratischen Wesens behandelt als wäre sie eine Terrorbewegung.
Dies bedeutet aber nicht ihr Scheitern. „Gesicht“ wurde nicht primär für den Gegner gezeigt. Wir glaubten nie daran, daß wir die Presse dazu bringen könnten, die Wahrheit zu schreiben und die medialen Klischees zu beseitigen. Das Ziel war, sie dazu zu bringen, immer absurder zu lügen. Uns ging es vor allem darum, mit offenem Gesicht das eigene Lager zu erreichen. Unter massiver Nutzung der sozialen Medien wurde das Zeitfenster, das bis zur digitalen Todesstrafe durch „Deplatforming“ blieb, genutzt, um eine neue rechte, aktivistische „Marke“ zu etablieren und eine handlungsfähige, anschlußfähige Avantgarde zu gründen.
In dieser Frist konnten drei evolutionäre Schritte (und revolutionäre „Schnitte“) für das aktivistische, rechte Lager umgesetzt werden.
+ Erstens eine „weltanschauliche Revolution“, die im Bereich der rechten Jugendbewegungen mit altrechten Allgemeinplätzen und der Tradition des NS brach.
+ Zweitens eine stilistische Revolution, die statt auf symbolische Fetische und die Bildsprache der Pseudomilitanz auf die Aneignung zeitgenössischer popkultureller und modischer Trends setzte.
+ Drittens eine schonungslose Abrechnung mit der Leitstrategie der Militanz und des Krisenkults zugunsten einer strategischen Metapolitik.
Die IB knüpfte damit weltanschaulich an der Konservative Revolution an und versuchte sich an einer realpolitischen Umsetzung des Metapolitikkonzepts der Nouvelle Droite. Der Stil ergab sich in der Auseinandersetzung mit der Gegenwart. (Hier findet sich ein ausführlicher Artikel dazu.)
Der Zustand des aktivistischen Lagers vor der IB war prekär. Dem Wandel, den die rechte Theoriebildung vollzogen hatte, hinkten Bewegung und Gegenkultur hinterher. „Faust“ und „Hirn“, Straße und Parlament, waren voneinander isoliert. Mit dem identitären Aktivismus entstand eine Kraft, die einerseits als Impulsgeber auf rechtspopulistische Partien einwirken und andererseits für die breiten Masse „normaler” Patrioten bis in die „Mitte der Gesellschaft“ hinein anschlußfähig war.
Erst diese beiden Faktoren machen eine politische Gruppe handlungsfähig. Ohne diesen Resonanzraum und dieses Unterstützerumfeld ist eine aktivistische Gruppe isoliert und fruchtlos. Die neue Stellung in der politischen Landschaft konnte die IB nur beziehen, weil sie dank ihrer drei rechten Revolutionsschritte ebenso provokant wie anschlußfähig war.
Diese Gründung der IB war dabei nicht, wie die feindliche Presse natürlich behauptete, ein bloß stilistisches „Update“. Das hatten schon altrechte Gruppen zuvor erfolglos versucht. Die Überwindung von ideologischen und stilistischen Fetischen, denen das Monopol für revolutionäres rechtes Denken zugeschrieben wurde, war und bleibt eine ideengeschichtliche Notwendigkeit. Sie erfolgt nicht aus Gefallsucht und Kalkül, sondern aus innerem Antrieb und aufgrund der kritischen Auseinandersetzung mit dem Gewesenen, die einen echten „Neurechten“ ausmacht.
Das durchschaubare Ziel der staatlichen (und medial verstärkten) Repression wurde es, diesen Evolutionsprozeß zu stoppen und die neue Stellung im politischen Niemandsland auszumerzen. Die Vorhut, die eine neue politische Form verkörperte, sollte mit heftigen Schlägen zur Resignation oder in Radikalisierung getrieben werden.
Durch diese Zerschlagung identitärer Strukturen sollte ein Generationenwechsel und damit eine Weitergabe der genannten Prinzipien erschwert werden. Maximale Dämonisierung sollte die Anschlußfähigkeit zerstören, die Gruppe im rechten Lager isolieren und die „Nachschubwege“ austrocknen. Das verbliebene Personal sollte sich entweder resigniert ins bürgerliche Leben zurückziehen oder im subkulturellen Pilzgeflecht der altrechten Szene versickern.
Tatsächlich bedeutet ein Reformprojekt wie das identitäre einen ständigen Marsch auf der Gipfellinie. Gähnte links der Abgrund des Philistertums und des Mainstreams, so lauerte rechts stets die Schneespalte der altrechten Subkultur. So opferreich das Leben in jener NS-affinen Szene sein mag, so wenig Anforderungen stellt es im Bereich der Theoriebildung, Personalpolitik und Öffentlichkeitsarbeit.
Die Strategie des Mainstreams, jeden rechten Aktivismus als militanten, nationalsozialistischen Extremismus darzustellen, arbeitet der angemaßten Monopolstellung der Szene und ihrer Verachtung für alles vermeintlich „Laue“ zu. Das geteilte Interesse von Staatsschutz und einigen altrechten Akteuren ist es, einen neurechten, politischen, gegenkulturellen und theoretischen Gestaltungsraum so klein wie möglich zu halten. Die subkulturelle “Kontaminierung” macht den Einsatz der “Nazikeule” leichter.
Die Angehörigen der Subkultur behalten mit ihren Kassandrarufen gern recht, daß der Mainstream jeden Rechten „sowieso als Nazi“ diffamierend behandele. Das System tut ihnen diesen Gefallen ebenso gern. Die Konsequenz, die sich beide erhoffen, ist, daß die so Attackierten am Ende jeden Versuch der Profilierung aufgeben und sich in die ausgetretenen Lager des altrechten Klischees fallenlassen. Dort lebt es sich zwar nicht angenehm, aber dafür „ungeniert“. Der wohlige Schauer der freiwilligen Selbstmarginalisierung geht auf Kosten jeglicher politischen Wirk- und Handlungsfähigkeit.
Die Subkultur besitzt nach Sieferle „zwar einen hohen Aufmerksamkeitswert, doch ist dieser notwendigerweise so negativ besetzt, daß ihren Trägern zwar satanische Kräfte zufließen, sie sich zugleich aber selbst als Verehrer des schlechthin Bösen stigmatisieren. Das Böse indes hat zwar eine gewaltige Kraft, doch bleibt es notwendig asozial, wird zum Ausdruck lediglich ästhetisch-spielerischer Elemente, ist also nicht programm- und politikfähig.“ (Sieferle, Epochenwechsel, S.462)
Ohne eine klare Profilierung samt Personalpolitik und nötigenfalls auch Abgrenzung wird jede rechte Gruppe automatisch von altrechter Subkultur aufgesogen. Dies ist jenseits von „laissez faire“ und „panischer Distanzierung“ (Modi, zwischen denen die AfD schwankt) nur möglich, wenn man eine klare Weltanschauung hat. Ginge das Kalkül des Systems auf, würden identitäre Potentiale hinter den „Dreischritt“ zurückfallen. Dies führt am Ende automatisch in eine strategisch hoffnungslose Lage, in der sich einige in ohnmächtiger Militanz entladen und andere sich subkulturell einrichten.
Haben die Gegner dieses Ziel erreicht? Das wird sich weisen. Direkt nach der erzwungenen Ruhepause durch das Prozeßfeuerwerk gegen die IB und meine Person folgte die Überwölbung der rechten Aktivitäten durch die „Coronakrise“. Identitäre Strukturen nutzten diese Zeit neben dem repräsentativen Aktivismus auf Demos für eine Transformation und taktische Anpassung. Diese äußert sich sichtbar in einer Wiederkehr der Maske.
Befördert durch die „Vermummungsgebote“ bei Coronademos und getrieben durch die nackten Kosten zermürbender Strafverfahren, zeigt sich der identitäre Aktivismus im deutschsprachigen Raum seit einiger Zeit maskiert. Ausgehend von Wien, treten identitäre Gruppen bei Stör– und Banneraktionen anonymisiert auf. Mit ihren Kappen und Schlauchschals machen die Aktivisten einen organisierten, dynamischen, jedoch keinen militanten oder paramilitärischen Eindruck.
Diese Art des Auftretens hat entscheidende Vorteile. Linksextremes Outing und juristische Schikanen werden erschwert. Der Gesichtsschutz senkt gerade angesichts der scharfen Repression der letzten Jahre die Hürde, sich anzuschließen und Aktivist zu werden. Die Taktik ermöglicht einem breiteren Umfeld, das (noch) nicht dazu bereit ist, Gesicht zu zeigen, die Teilnahme an Aktionen. Die Masken verschleiern nicht nur die Identität, sondern auch die genaue Zahl der Aktivisten, da unklar ist, wer bei welcher Aktion teilgenommen hat.
Zu dieser taktischen Anpassung findet auch eine Strukturveränderung statt. Viele kleine regionale Gruppen schossen in der letzten Zeit aus dem Boden. Aktionsberichte werden an zentrale und anonyme Portale wie “Aktionsmelder” und “Widerstand in Bewegung” geschickt und dort veröffentlicht. Diese Form der Organisation in der Dispersion ist im linken und rechten Lager altbekannt und die natürliche Reaktion auf politische Verfolgung.
Die Frage, welche ich mir zusammen mit den Lesern des Blogs stelle, lautet: kann der Ansatz der identitären Bewegung diese Transformation überleben? Widerspricht diese taktische Anpassung der oben umrissenen Strategie der IB? Auf die Schlagzahl der Aktionen und die Anzahl der Aktivisten wirkte sich die neue Taktik gut aus. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, daß sich das Potential nach einer Stagnation im Jahr 2019 seit 2020 qualitativ und quantitativ positiv entwickelt. Doch allein das muß nichts bedeuten.
Die IB stellt an sich jedoch einen anderen Anspruch. Ihre Strategie ist es, über die Mobilisierung des Vorfelds und gezielte metapolitische Arbeit das rechte Lager auf ein Ziel hin zu fokussieren und in einer Strategie zu vereinen. Wenn sie für die gesamte Zielgruppe der rechten Gegenöffentlichkeit und Partei nicht anschlußfähig ist, ist sie nicht handlungsfähig und ihr Tun sinnlos.
Würden die Identitären nach dem Plan ihrer Feinde zu einer subkulturellen, tendenziell altrechten Gruppe regredieren, gäbe es keinen Unterschied mehr zu den bisherigen, erfolglosen Anläufen rechten Aktivismus. Ein identitäres Residuum, das die Lügen der Presse über angeblichen Extremismus ex post bestätigt und verwirklicht, könnte sogar zu einer großen Gefahr für das patriotische Lager werden. Statt Avantgarde wäre die IB dann ein Werkzeug zur Spaltung, Dämonisierung und Skandalisierung.
Nüchtern festzuhalten ist, daß der neue Stil neben den erwähnten Vorteilen weniger nahbar und volksnah wirkt und in eine subkulturelle Richtung geht. Er verschiebt den Regler von der Anschlußfähigkeit in Richtung der Provokation. Ob das sinnvoll ist, darf nicht Frage persönlicher Vorlieben sein, sondern muß strategisch beurteilt werden.
Nach wie vor gilt, daß bereits das bloße „Rechtssein“ und die Behauptung des Volksbegriffs im heutigen Kontext derart provokant sind, daß es kaum Sinn ergibt, das eigene Profil nachzuschärfen. Bestenfalls dient dies dann inneren szenenpolitischen Bedürfnissen und stellt im Rahmen des „political identity paradox“ klassisches „Bonding“ (böse gesagt: szenenpolitische Selbstbefriedigung) dar.
Dennoch glaube ich nicht, daß die Rückkehr zu Maske als taktische Anpassung die Leitstrategie der IB und ihre Rolle als Avantgarde des rechten Lagers gefährdet. Auch die Anschlußfähigkeit einer Bewegung findet in einem dynamischen Kontext statt. Ziel des identitären Aktivisten ist, nach einem Wort von Phillip Vardon: „unserem Gegner Angst zu machen, und nicht unseren Großeltern“. Ebenso ist es aber auch das Ziel, mit Aktionen und Auftreten zuerst dem eigenen Lager und den Unentschlossenen zu gefallen und nicht unseren Feinden.
Die Anschlußfähigkeit und Profilierung, die gezielte Kommunikation und „Markenbildung“ einer rechten Partei und Bewegung darf sich nicht nur am Mainstream und einer vermeintlichen „Mitte“ orientieren. Ihre Zielgruppe ist das Volk in Form der zu schaffenden „schweigenden Mehrheit“, wie sie Götz Kubitschek beschreibt. Nicht wir wollen uns der Zeit und der Gesellschaft anpassen, sondern umgekehrt!
Den Adressaten der Botschaft, also den rechtsoffenen und dissidenten Teilen des Volkes, muß man dazu entgegenkommen, statt sie in selbstgefälliger, subkultureller Pose zu verschrecken. Doch zeitgleich müssen sie herausgefordert, weitergeführt und „geistig verschärft“ werden. Statt sie bloß in ihrem halbbewußten Zustand zu bestätigen und zu bespaßen, gilt es, sie zu motivieren und zu sammeln!
Entsprechend der Verschärfung der Lage in den zahlreichen Krisen der letzten Jahre ist auch das breite, rechte Lager offener für die neue, in dem Fall maskierte, Form des Widerstands geworden. Die Verbrüderung der Wutboomer und Jungaktivisten, der Althippies und Neurechten, das Nebeneinander von Peacefahnen und Pyrotechnik auf den Coronademos zeigt, daß diese Synthese gelingen kann.
Fest steht aber auch, daß die Bewegung neue Gesichter braucht. Die Überwindung der „emotionalen Barriere“ und die Gewinnung eines eigenen Sprechorts braucht starke Persönlichkeiten, die mit offenem Visier auftreten. Dabei müssen weniger Gesicht zeigen, als in der Anfangsphase, doch es gilt: „non quod, sed quales“. Die neuen Gesichter müssen charismatische und authentische Persönlichkeiten sein, die den neuen Stil ebenso wie die klassischen Werte verkörpern, um für die zu sprechen, die hinter der Maske bleiben.
Bleiben identitäre Gruppen den beiden wichtigen Alleinstellungsmerkmalen der Bewegung treu (sprich: sind sie weiterhin weltanschaulich neurechts und gewaltfrei), dann wird diese Transformation von Erfolg gekrönt sein. Der dritte Punkt, der identitäre Stil von 2012, wird jedoch wohl in seiner Zeit bleiben. Er ist mit seinen Trägern gealtert. Ein neuer entsteht in der Auseinandersetzung der neuen Generation mit ihrer Gegenwart.
Die Maskenmänner werden also in nächster Zeit – der Repression von Faeser und Co. zum Trotz – immer häufiger auftauchen. Sie kämpfen als Speerspitze für das ganze rechte Lager und setzen sich großen Risiken aus. Auch maskiert bleibt ihr Ziel jedoch, daß eines Tages sie und alle anderen ihre realen und digitalen Masken ablegen und ohne Angst offen rechts sein können.
Zuerst veröffentlicht auf sezession.de